Standpunkte 1/2018

die per Bluetooth dem Smartphone-Nut- zer zu feste Putzbewegungen meldet, bis zur neuesten Generation des Magnetre- sonanztomographen – kurz: MRT – reicht die nach wie vor eindrucksvolle Produkt- palette. Und längst begreift sich das ge- wandelte Weltunternehmen auch als Service-Dienstleister: „Wir starten im- mer mehr Innovationsprojekte mit Part- nern, die der Gesunderhaltung der Men- schen dienen“, berichtet der CEO-Dach nicht ohne Stolz. In Mecklenburg-Vor- pommern etwa beginnt gerade der flä- chendeckende Aufbau eines Versor- gungsnetzwerkes für chronisch herz- kranke Patienten: Philips liefert die Technik zur ständigen Kontrolle von Blutdruck und anderen wichtigen Vital- parametern, die medizinische Fakultät der Universität Rostock, die Techniker Krankenkasse und die AOK Nordost ko- operieren, um individuelle Versorgungs- pläne für herzschwache Menschen um- zusetzen. „Philips investiert in diesem Jahr fast 1,9MilliardenEuro in Forschung und Entwicklung, um nicht nur neue Produkte, sondern auch neue Systeme und Kooperationen in die Gesundheits- wirtschaft zu tragen“, betont Vullinghs. Ein erheblicher Teil wird in Hamburg ausgegeben, wo der Konzern gerade auch eine Etage ausgeräumt hat, ummit Start- ups an neuen Ideen zu tüfteln. Zur Eröff- nung konnte der Philips-Chef Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz begrü- ßen, dem die boomende Gesundheits- wirtschaft im Norden amHerzen liegt. „Mit der Politik in Deutschland, aber auch in der Schweiz und Österreich su- che ich intensiv das Gespräch, damit wir gemeinsam über neue Lösungen für die Gesundheit der Menschen nachdenken „ WIR STARTEN INNOVATIONSPROJEKTE ZUR GESUNDERHALTUNG DER MENSCHEN “ können“, bekennt Vullinghs. Längst kennt er auch die System-Unterschiede im deutschsprachigen Raum: Österreich sei besonders komplex und kompliziert organisiert, in der Schweiz mit ihrem modernen Krankenkassensystem spiele die Privatwirtschaft im Gesundheitssek- tor eine größere Rolle, in Deutschland sei der Kontakt in die Landesregierungen besonders wichtig – entsprechend häufig ist CEO-DACH quer durchs Land unter- wegs. Kosmopolit und Klassik- liebhaber Den Kosmopoliten Vullinghs, der vor seinen fünf Jahren in Moskau ein Jahr- zehnt lang aus Singapur und Hongkong das asiatische Philips-Geschäft als Fi- nanzchef voranbrachte, schreckt die Reisetätigkeit nicht. „The only constant factor is change“, habe ihm schon vor Jahren ein Chef als Motto mitgegeben, Bewegung brauche es deshalb überall. Privat joggt er gern mit Jack Russel Ter- rier Pippi um die Alster, geht in die Oper oder versucht Karten für Konzerte in der Elbphilharmonie zu ergattern – „ziem- lich schwierig“, stöhnt der Klassik-Fan, der seit seinen Moskauer Jahren beson- ders die Werke russischer Komponisten schätzt. Bei einem seiner regelmäßigen Wochenendausflüge ins eigene Ferien- domizil nahe Barcelona hat Peter Vul- linghs erst vor Kurzem das berühmte zweite Klavierkonzert von Rachmani­ noff wieder gehört, im L’Auditori, dem wegen seiner hervorragenden Akustik hochgerühmten Konzertsaal der Katala- nen-Metropole: „Grandios", sagt er, und der leise Schauder in der Stimme ist wie- der da. Luc Gespräch und erfahre, was es Neues gibt.“ Und es gibt viel Neues bei Philips in den letzten Jahren und Jahrzehnten: „Als ich vor 22 Jahren in Groningen als Trainee anfing, hatten viele noch ein Philips-Ra- dio oder einen Cassettenrekorder“, erin- nert sich der studierte Ökonom Vul- linghs. Ein Gemischtwarenladen, der ab 1891 erstmalsmassentaugliche Glühlam- pen in Europas Haushalte brachte, 1918 die erste Radioröhre für den neuenMarkt der Unterhaltungselektronik produzier- te und 1927 in Hamburg mit dem Kauf von Röntgenmüller auch in die Medizin- technik einstieg – das war der stetig wachsende Gigant Philips bis in dieses Jahrtausend. Wachstum aber erzeugt Komplexität und die droht irgendwann das Wachstum zu ersticken, mit zu vie- len Produkten, zu vielen Führungsebe- nen, zu großer Unübersichtlichkeit. Ein Schicksal, das mancher Großkonzern bis heute mit längst untergegangenen Welt- reichen teilt. „Ich habe in der Universität noch gelernt, dass starke Diversität und große Konglo- merate gut seien“, sagt Vullinghs. So würden sich die Risiken unterschiedli- cher Geschäftsfelder ausbalancieren, hieß es damals. Aber diese Zeit ist vorbei, das ahnten gerade manche Niederländer schon nach dem Untergang ihres Koloni- alreichs. „Philips hat die Transformation vom Consumer-Electronics-Konglomerat zum Healthcare-Konzern früh genug be- gonnen und jetzt haben wir schon gut die Hälfte derWegstrecke zurückgelegt“, be- tont der Spitzenmanager. Das Geschäft mit Unterhaltungselektronik und dem Chipbereich ist längst weggegeben, die ehemalige Lichttochter Philips Lighting wurde erst an die Börse gebracht und dann weitgehend verkauft. Die Schlank- heitskur hat dem Konzern gutgetan: Der Nettogewinn stieg 2017 von knapp 1,5 auf fast 1,9 Milliarden Euro, der Umsatz nahm um zwei Prozent auf knapp 17,8 Milliarden Euro zu, für 2020 sind 20 Mil- liarden angepeilt. Vom Gemischtwarenkonzern zum Gesundheitsunternehmen „Wir begreifen uns jetzt als Unterneh- men der Gesundheitswirtschaft“, sagt Vullinghs und definiert den Begriff ganz breit: Von der intelligenten Zahnbürste, „ THE ONLY CONSTANT FACTOR IS CHANGE. “ Foto: Christian Augustin 38 1/2018 Standpunkte NORDMETALL 39 1/2018 Standpunkte NORDMETALL

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