Standpunkte 3/2018

leicht zieht es auch deshalb viele Bayern in diese Branche“, lächelt Strahberger. Das Schiff der Zukunft ist digital Als SCHOTTEL ihn Ende 2015 als Nach- folger des langjährigen Geschäftsfüh- rers Prof. Dr. Ing. Gerhard Jensen an Bord holte, empfand er das als besondere Aus- zeichnung. „Wir nutzten die damalige Marktschwäche, um unser komplettes Produkt-Portfolio zu überholen, Lücken zu schließen und damit unsere Wettbe- werbsfähigkeit nochmals deutlich zu steigern“, beschreibt Strahberger seine Zeit der Etablierung. Mit den Entwick- lungsabteilungen des Unternehmens in den rheinischen Standorten Spay und Dörth gehe es nun darum, dieses Portfo- lio in die Digitalisierung zu überführen: „Im Schiff der Zukunft kommunizieren die Komponenten immer stärker mitein- ander, sammeln und tauschen Daten, ag- gregieren sich zur Zustandsüberwa- chung des Schiffes und der Flotte“, weiß der Technikfan. Auch das autonom fah- rende Schiff sei längst keine Vision kom- mender Jahrhunderte mehr, sondern werde in den nächsten Jahrzehnten Rea- lität. SCHOTTEL werde hier, im Bereich der Handels- und Marineschiffe, ver- stärkt umMarktanteile kämpfen. „ Wir haben hier eine große Facharbeitertradition, zum Teil über Generationen. Gleichwohl müssen wir in Zeiten des Fachkräftemangels intensiv um Nachwuchs für die technisch-gewerblichen Berufe werben. “ Privat ein Kletterer Der einstige Wismaraner Ableger des DDR-Dieselmotorenwerks Rostock, 1999 als Wismarer Propeller- und Maschinen- bau Gesellschaft GmbH WPM von SCHOTTEL übernommen, spielt eine zentrale Rolle in dieser Zukunftsstrate- gie. „Wir haben hier eine große Fachar- beitertradition, zum Teil über Generatio- nen. Gleichwohl müssen wir in Zeiten des Fachkräftemangels intensiv um Nachwuchs für die technisch-gewerbli- chen Berufe werben“, beschreibt Strah- berger die Situation seines Ostsee-Stand- orts. Ein Mitbewerber um Auszubilden- de ist auch gleichzeitig lukrativer Auftraggeber SCHOTTELS in der gut 40.000 Einwohner zählenden Hanse- stadt: die MV-Werften, mittlerweile im Besitz der asiatischen Gentig-Gruppe. Zuletzt wurden von dort bei SCHOTTEL je vier Schiffsantriebe für die vier Fluss- kreuzfahrtschiffe geordert, die MV für Crystal River Cruises baute. Privat hält es der nahe der österreichi- schen Grenze am Inn aufgewachsene Strahberger eher mit dem Klettersport, als mit Vortrieb auf demWasser. Mindes- tens einmal pro Woche trainiert der zweifache Familienvater in felsigem Areal, weitab von Ruderpropellern und Schiffsschrauben. Luc TEL, einen „Hidden Champion“, wie die Wirtschaftswoche erst vor Kurzem wie- der feststellte: 262 Millionen Euro Um- satz weltweit im Jahr 2017, Weltmarkt- führer bei den steuerbaren Schiffsantrie- ben inklusive Elektronikkomponenten. Weltweit beschäftigt die SCHOTTEL In- dustries GmbH mit vier Gesellschaften 1.321 Mitarbeiter zwischen Deutschland, Brasilien, Australien, den USA und Chi- na. Angefangen hat alles vor fast 100 Jahren am Rhein: Josef Becker begann in Spay unweit Koblenz in den Zwanziger- jahren Boote zu bauen, ab Mitte der Drei- ßigerjahre entstand dort die SCHOT- TEL-Werft, in den Fünfzigern wurden Ruderpropeller entwickelt und über ers- te Töchter im Ausland verkauft. „Das ist das Großartige, was SCHOTTEL aus- macht“, sagt Strahberger ohne Pathos, fast nebensächlich: „Das ganz eigene Produkt der steuerbaren Antriebe, der rechtzeitige Einstieg in die Offshore-Ent- wicklung und eine frühe Internationali- sierung.“ Mit der hat der promovierte Halbleiter- physiker seine persönlichen Erfahrun- gen: Nach dem Studium in Regensburg und der Promotion an der TU München engagierte ihn Siemens 2001 und schick- te den Neuzugang sofort für einen sechs- monatigen Job nach New York. „Einen Großkonzern nicht aus der Zentrale, son- dern gleich mit dem Blick aus der Ferne kennenzulernen, war eine wertvolle Er- fahrung“, erinnert sich Strahberger. Ende 2008 wechselte er zum schwäbi- schen Technikkonzern Voith, leitete schließlich aus Heidenheim das mariti- me Geschäft des Unternehmens. „Das Gros der Schiffszuliefererindustrie sitzt imWesten und Süden der Republik, viel- Foto: Christian Augustin 38 3/2018 Standpunkte NORDMETALL 39 3/2018 Standpunkte NORDMETALL

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