Standpunkte 2/2019

Populisten gäben falsche Antworten auf richtige Fragen, befand Ifo-Präsi- dent Fuest als frischgekürter Schleyer-Preisträger kürzlich. Nicht nur das: Auch Spitzenkandidaten etablierter Volksparteien erliegen in Fernsehduel- len der Versuchung, dem Wähler all das zu versprechen, was er hören will. Ehrenvoll, wer stattdessen Prinzipien verteidigt, Probleme in ihrer Komplexität durchdringt und nach vernünftigen, politisch machbaren Lösungen sucht. In der Ablehnung dieses sanften wie auch des extremen Populismus sollten wir uns einig sein. Auch an der ein- zigartigen Bedeutung der EU als Wohlstandsgarant und Friedensstifter sollte kein Zweifel bestehen. Doch wird Kritik an bestehenden Strukturen zu oft mit diesen Totschlagsargumenten im Keim erstickt – als stellte jeder, der auf Schwachstellen hinweist, gleich das gesamte System infrage. Dabei gibt es genügend Punkte, über die es zu debattieren lohnt: Hat die EU ein Demokratiedefizit? Wer ist bereit, in welchen Feldern Kompetenzen auf einen europäischen Souverän zu übertragen? Wollen wir eine politische Uni- on imSinne der Vereinigten Staaten von Europa oder bloß eine große Freihan- delszone, also Einheit in Vielfalt? Warum empfinden wir uns nicht als große Kultur- und Wertegemeinschaft, als Teil einer großen Idee, die Portugiesen und Polen, Belgier und Briten vereint? Warum denkt Brüssel, anders als von Kommissionspräsident Juncker versprochen, in großen Dingen oft klein und in kleinen Dingen zu groß? Wie bauen wir eine kulturelle Brücke zwischen dem deutschen Subsidiaritätsprinzip und der französischen Egalitätssehn- sucht? Wie verschieben wir den politischen Schwerpunkt von mehr Sozial- protektion hin zu mehr Wettbewerbskraft? Ich bin sicher: Wenn solche Debatten geführt würden, würde auch das Inter- esse am Projekt EU wieder aufflammen. So könnte eine starke, vitale Bewe- gung entstehen, die über das gemeinsame Europa der Zukunft diskutiert. Doch diese Kontroverse braucht eine stabile Basis: Nur auf verlässlichem, proeuropäischem Grund kann eine konstruktive Reformdebatte die richti- gen Antworten finden. Die Anti-Europäer dagegen bauen nicht mit am ge- meinsamen europäischen Haus, sondern reißen alles ein, was wir mühevoll errichtet haben und stolz an unsere Kinder weiterreichen wollen. Dr. Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführer NORDMETALL Wir müssen das Europa der Zukunft diskutieren Vollautomatisiert durch die Stadt Premiere an der Elbe: Erstmals fahren auto­ matisierte Fahrzeuge im öffentlichen Stadt­ verkehr durch Hamburg. Volkswagen erprobt unter realen Bedingungen automatisiertes Fahren bis Level 4 (passiver Fahrer zur Sicher­ heit noch an Bord) mit fünf Elektro-Golfs, bestückt mit Laserscannern, Kameras, Ultra­ schallsensoren und Radaren. Daimler testet unterdessen zusammen mit Bosch in den USA bereits Level 5 automatisierten Fahrens (ohne Menschen an Bord). Die Schwaben wollen für einen App-basierten, fahrerlosen Mitfahrser­ vice schon bis 2021 mehr als 10.000 autono­ me Taxis produzieren. DJ Foto: Volkswagen AG (c) Friso Gentsch STANDPUNKT NR. EINS 3 2/2019 Standpunkte NORDMETALL

RkJQdWJsaXNoZXIy MTAzNjM5