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  • Fachkräftesicherung

26.10.16: Sozialleistungen für Ausländer

Das Bundeskabinett hat am 30.9.16 den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen im SGB II und SGB XII beschlossen. Zum Referentenentwurf hatte die BDA eine Stellungnahme abgegeben, ihre Forderungen wurden aber leider nicht aufgegriffen.

Erste Bewertung:

Zwar verfolgt der Gesetzentwurf die richtige Zielrichtung, zum Erhalt der Akzeptanz der Arbeitnehmerfreizügigkeit die Regelungen zum Zugang von Unionsbürgern zu Sozialhilfeleistungen klarer zu fassen und bestehende Lücken zu schließen. Diese Korrekturen sind notwendig, auch um der völlig fehlgeleiteten jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Einhalt zu gebieten. Allerdings geht die Bundesregierung den Weg nicht konsequent zu Ende. Insbesondere über das Europäische Fürsorgeabkommen könnten die jetzt vorgeschlagenen Regelungen umgangen werden, weshalb vor allem hier Änderungsbedarf besteht.

Wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfes ist:

  • Dauerhafter Zugang zu Sozialleistungen nach SGB II und SGB XII wird erst nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland gewährt. Kritisch zu sehen ist hierbei, dass der Zugang nach diesem Zeitraum quasi voraussetzungslos möglich sein soll. Hier sollte geregelt werden, dass Ansprüche auf solidarische, weil beitragsunabhängige Sozialleistungen nach SGB II bzw. SGB XII nur dann bestehen können, wenn diese Leistungen in einem gewissen Umfang erarbeitet wurden. Nach dem Gesetzentwurf genügt jedoch der fünfjährige Aufenthalt in Deutschland, um Zugang zu Sozialleistungen zu erhalten. Im Vergleich zum Referentenentwurf neu eingefügt wurde die Bestimmung, dass Zeiten, in denen sich Personen nicht rechtmäßig in Deutschland aufhalten, auf den Fünf-Jahres-Zeitraum nicht angerechnet werden.
  • Während des Fünf-Jahres-Zeitraums können an die Betroffenen Überbrückungsleistungen bis zur Ausreise gewährt werden - längstens für einen Zeitraum von einem Monat innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren.
  • Auch nach dem Gesetzentwurf können bei Aufnahme eines Minijobs oder einer Selbstständigkeit mit geringstem Stundenumfang weiterhin aufstockend SGB-II-Leistungen in Anspruch genommen werden. Auch ändert sich an der Rechtslage, dass die Arbeitnehmereigenschaft grundsätzlich bei mindestens einjähriger Beschäftigung auch bei Verlust des Arbeitsplatzes dauerhaft weiter vermutet wird, nichts. Es ist daher weiterhin erforderlich festzulegen, welchen Umfang eine Beschäftigung haben muss, um als Arbeitnehmer zu gelten. Den Anspruch auf beitragsunabhängige Sozialleistungen wie den Leistungen nach SGB II sollte zumindest während der ersten fünf Jahre nur derjenige haben, der monatlich ein Einkommen erzielt, das dem einer Vollzeitbeschäftigung von 40 Stunden nach dem jeweilig geltenden Mindestlohn entspricht.
  • Zum Europäischen Fürsorgeabkommen schweigt sich der Gesetzentwurf aus.  
  • Für Personen, die ihr Aufenthaltsrecht aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nummer 492/2011 ableiten, bleibt es bei der im Referentenentwurf enthaltenen Formulierung. Lediglich in der Begründung wurde der Hinweis darauf, dass auch Auszubildende vom Leistungsausschluss erfasst werden, gestrichen.
  • Neu im Gesetzentwurf wurden Regelungen zur Datenübermittlung an die Familienkasse und die Ausländerbehörde aufgenommen (vgl. Art. 3 und Art. 4 des Gesetzentwurfes), die zu begrüßen sind. Die Datenübermittelung an die Familienkasse soll dazu dienen, dass diese nach dem Verlust der Freizügigkeitsberechtigung prüfen kann, ob die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Einkommenssteuergesetz zum Bezug von Kindergeld noch bestehen. Zukünftig soll die Ausländerbehörde nach § 87 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) darüber unterrichtet werden, wenn ein Ausländer oder Familienangehöriger Sozialleistungen in Anspruch nimmt oder beantragt. Damit soll sichergestellt werden, dass die Ausländerbehörden über die notwendigen Erkenntnisse verfügen, um über den Verlust oder das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts bzw. um über die Erteilung eines Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige entscheiden zu können, da hierbei in der Regel die Sicherung des Lebensunterhalts Voraussetzung ist (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).  

Unabhängig von dem vorliegenden Gesetzgebungsverfahren ist zu der Frage, welchen Anspruch Unionsbürger auf Sozialleistungen haben, aufgrund eines Vorlagebeschlusses des Sozialgerichtes Mainz (Aktenzeichen S 3 AS 149/16) ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig (Aktenzeichen 1 BvL 4/16). Allerdings ist unklar, wann hier mit einer Entscheidung zu rechnen ist.  
 
Das Gesetz ist zustimmungsbedürftig. Über den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens werden wir Sie informieren.