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  • Fachkräftesicherung

3.5.16: Aktuelle IAB-Studie

Die aktuelle IAB-Studie bestätigt grundsätzliche Kritik der Arbeitgeber an öffentlich geförderter Beschäftigung.

Breit angelegte, teure öffentliche Beschäftigungsprogramme leisten keinen Beitrag zur nachhaltigen Integration von Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Sie sind in der Regel sogar kontraproduktiv.
Modellprojekte in Nordrhein-Westfalen geben nun jedoch erste Hinweise darauf, dass öffentlich geförderte Beschäftigung zumindest das soziale Teilhabeempfinden von arbeitsmarktfernen Menschen deutlich verbessern kann. Das geht aus einer am Dienstag vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) veröffentlichten Studie hervor, die gemeinsam mit dem Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) erstellt wurde. Von entscheidender Bedeutung sei eine sorgfältige Auswahl der Geförderten, betonen die Autoren der Studie.

Im Rahmen der Modellprojekte „öffentlich geförderte Beschäftigung in Nordrhein-Westfalen“ wurden seit 2013 in gut 150 Betrieben im gemeinnützigen Bereich arbeitsmarktferne Personen an den Arbeitsmarkt herangeführt. Ergebnisse zu Beschäftigungseffekten werden zwar erst 2017 vorliegen, erste Erkenntnisse aus der Begleitforschung wurden aber bereits jetzt in einer Studie festgehalten. Sie beruht unter anderem auf Befragungen von rund 500 Geförderten und mehr als 50 Jobcoaches, die eine sozialpädagogische Begleitung der Geförderten anboten, sowie auf umfangreichen Daten aus dem Projektverlauf.

Durch die Modellprojekte verbesserte sich das Gefühl der gesellschaftlichen Zugehörigkeit bei den Geförderten deutlich. „Die eigene Einordnung auf einer Skala des Zugehörigkeitsgefühls von 0 (ausgeschlossen) bis 10 (dazugehörig) fiel mit einem Durchschnitt von 7,1 vergleichsweise hoch aus“, schreiben die Forscher. Arbeitslose Hartz-IV-Empfänger ordnen sich im Mittel bei einem Wert von 6,0 ein, erwerbstätige Hartz-IV-Empfänger („Aufstocker“) bei 7,0. Der Durchschnittswert für alle Erwerbstätige liegt bei 8,0.

Gerade für Geringqualifizierte sind öffentliche Beschäftigungsmaßnahmen oft attraktiver als einfache Tätigkeiten am ersten Arbeitsmarkt, die entsprechend der niedrigen Produktivität entlohnt werden. Diese Fehlanreize werden durch eine tarifliche oder ortsübliche „Entlohnung“ öffentlicher Beschäftigung und eine Ausgestaltung als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis verschärft. Arbeitslosen wird so fatalerweise suggeriert, einer regulären Beschäftigung nachzugehen. Folge ist oft, dass nicht mehr aktiv nach einer Stelle gesucht wird und die Aufnahme einer Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt immer unwahrscheinlicher wird („Lock-in-Effekt“).

Um Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten eine Perspektive zu geben, müssen stattdessen alle Kräfte auf eine umfassende Vermittlungs-, Qualifizierungs- und Betreuungsoffensive konzentriert werden. Die schnelle Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt muss jederzeit Vorrang vor öffentlicher Beschäftigung haben.

Bei den Geförderten in den untersuchten Modellprojekten handelte es sich um Langzeitarbeitslose, die verschiedene Vermittlungshemmnisse wie fehlende Schul- oder Berufsabschlüsse oder gesundheitliche Probleme aufwiesen und häufig darüber hinaus auch noch mit weiteren persönlichen Problemen belastet waren, beispielsweise im familiären Bereich. Daher wurde in den Modellprojekten auch eine sozialpädagogische Begleitung durch Jobcoaches zur Stabilisierung der Beschäftigung angeboten. Die Begleitforschung ergab: „Für Teilgruppen, deren Problemschwerpunkt auf der persönlichen Ebene liegt, ist ein Coach, der bei einem externen Träger angesiedelt ist, besonders hilfreich. Sollen aber primär Probleme der betrieblichen Integration und der Produktivität angegangen werden, ist eine Verankerung der Begleitung im Beschäftigungsbetrieb empfehlenswert.“

Da die Modellprojekte nur besonders arbeitsmarktferne Personen aufnahmen, die auf absehbare Zeit keine Chancen auf eine ungeförderte Beschäftigung gehabt hätten, konnte im vorliegenden Fall auch das erwähnte, sonst bei öffentlich geförderter Beschäftigung häufig vorhandene Problem des „Lock-in-Effekts“ vermieden. An den früher weit verbreiteten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) nahmen beispielsweise nicht selten Arbeitslose teil, die auch ohne die Maßnahme den Sprung in eine reguläre Beschäftigung geschafft hätten. Solange die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme lief, bewarben sie sich aber vergleichsweise selten. Im Ergebnis wechselten sie dann aufgrund der Teilnahme an der Maßnahme erst später in eine ungeförderte Beschäftigung, als sie es ohne Maßnahmeteilnahme getan hätten.

Grundsätzlich gilt, dass Arbeitslosigkeit durch öffentlich geförderte Beschäftigungsprogramme nicht verringert, sondern häufig sogar verfestigt wird.